Vor ein paar Wochen lief mir in der Statusmeldung einer Bekannten das Wort „Glimmer“ über den Weg. Aber was war das? Kein Edelstein, kein Instagram-Filter – der Glimmer ist der Schimmer der Leichtigkeit, der sich tapfer durch den Alltagsmatsch kämpft. Und zwar dann, wenn dich etwas positiv triggert. Das Gegenstück zum Trigger also, den mittlerweile fast jeder kennt.
Beim Glimmer fühlst du dich wohl, ein gutes Gefühl steigt in dir auf, du bist im Frieden mit dir und der Welt. Trigger hingegen versetzen dich in den Kampf- oder Fluchtmodus, du fühlst dich bedroht.
Stell dir vor, du stehst im Regen: Du könntest dich über deine nassen Socken ärgern, aber stattdessen siehst und bewunderst du auf einmal einen Regenbogen. Das ist zufälliger Glimmer.
Ich baue Glimmer bewusst ein, über Handlungen, Menschen und Dinge, die mir gut tun. Ob beim Spaziergang in der Natur, beim Lesen von Karl Ove Knausgårds „Morgenstern“ (der Mann schreibt, als würde er meine Gedanken klauen, nur Bukowski ist nochmal unverblümter) oder bei der Auswahl sozialer Kontakte und Events – wähle ich passend, bin ich extrem geglimmert und inspiriert.
Trigger-Alarm? Nein, danke!
Unser Gehirn ist wie ein hyperaktiver Papagei: Es plappert genau das nach, womit wir es füttern. Ich sage dir: „Denk nicht an den rosa Elefanten.“ Schon siehst du ihn, fett und pink, am Horizont aufsteigen.
Genau deshalb solltest du deinem Hirn das vermitteln, was du willst: „Erzähl mir vom knackigen Salat mit Schafskäse!" (Schokolade ist aus) oder „Erinner mich an den Sonnenuntergang von gestern!" (ich vergesse die Wolken draußen).“
Böse Trigger lauern überall: im Newsfeed, in toxischen Gesprächen oder im Spiegel (hallo, Instagram-Perfektion). Neulich, bei einem Sushi-Dinner in Mannheim, sah ich eine junge Frau, die sich im Toilettenspiegel nachschminkte. So ernst, als würde sie für den Oscar der „Filterkompatibilität“ antreten. Als sie rausging, wirkte sie so unglücklich, als hätte sie gerade den Oscar für „Unglücklichsein“ gewonnen. Sie war extrem angetriggert. Sie fand sich nicht ausreichend und das strahlte sie mit jeder Faser aus.
Schön sieht das nicht aus, wir Menschen spüren, wenn jemand maximal angespannt ist. Entspannte Menschen mit ehrlichem Lachen sind fast unwiderstehlich. Und sowas lässt sich nicht aufmalen. Charakter und Ausstrahlung hat noch kein Tech-Konzern per App auf User übertragen. Trigger und Komplexe häufen sich hingegen.
Ich spreche hier nicht von Toxischer Positivität und übermäßiger Selbstoptimierung. Mehr davon, dass man sich auch mal ok finden darf, wie man ist und dass das vermeintlich bessere Leben oft nur aus der Ferne so wirkt (Gras grüner, andere Seite). Mittlerweile finde ich wenige Dinge erstrebenswerter, als so zu leben, wie es zum eigenen Bauplan passt und zu sich zu stehen, mit allen Ecken, Dellen und Kanten.
Mein Rezept für Glimmer konkret:
Tiefe Gespräche, Spaziergänge im Wald, Michel Houellebecq-Romane – nicht wegen der Leichtigkeit (der Mann ist ein literarisches Genie), sondern weil er das Unsagbare so verdammt gut in Worte fasst. Dazu Virginie Despentes, Mirna Funk und George Orwell. Noch mehr Karl Ove Knausgård und Weltliteratur, weniger Newsfeed, maximal dreißig Minuten Handyzeit am Tag (ohne Google Maps und Telefonate, aber inklusive Messenger).
Mehr Sauna (ich schwitze, dusche eiskalt und fühle mich danach wie frisch aus dem Ei geschlüpft), weniger Social Media (ich glotze blöd, was ich haben könnte). Mehr Schokolade, weniger Schuldgefühle. Oder auch mal mehr Sport am Abend und weniger rumliegen.
Und manchmal auch einfach nichts tun, sich treiben lassen – kein Podcast, kein Productivity-Hack. Einfach atmen. Revolutionär oder?
Deine Glimmer Toolbox: Aktivierung Glückshormone
Dein Gehirn ist ein Hormon-Cocktail-Shaker. Wenn du richtig mixst, wird aus grauem Alltag ein kleines Feuerwerk. Amaretto Sour, PornstarMartini oder doch ein Gin Tonic? Hier kommen die Zutaten für deinen Glückscocktail voller Glimmer-Momente:
Serotonin – der Stimmungsaufheller
- Meditation
- In der Sonne liegen
- Sport
- Bewegung
- In der Natur spazieren + rumsitzen
- Magnesium einnehmen
Oxytocin – das Liebeshormon
- Einen Hund streicheln
- Kuscheln
- Berührungen
- Ein Baby halten
- Komplimente geben
- Die Liebsten umarmen
Dopamin – das Belohnungshormon
- Eine wichtige Aufgabe erledigen
- Self-Care betreiben
- Lieblingsessen essen
- (Kleine) Erfolge feiern
Endorphin – der Schmerzhemmer
- Lustige Filme ansehen
- Bitterschokolade essen
- Bewegung, Fitness
- Lachen
Warum „Gut genug“ das neue „Perfekt“ ist
Die Welt brüllt: „Höher! Schneller! Besser!“ – ich brülle zurück: „Nö.“
Denke mal an köstliches Brot: Ein Teig mit genügend Gehzeit wird fluffig, duftend und lebendig. Eines ohne Gehzeiten (Industriezeug) ist nicht bekömmlich. Der Unterschied: Nichts. Aber bitte lange genug!
Genauso sind wir. Ohne Pausen und ohne Raum für uns selbst werden wir zäh und bitter. Mit Pausen und Glimmer aber bleibt unser Leben frisch und saftig.
Was passiert, wenn du Glimmer jagst?
Mein Gehirn hat sich teilweise umprogrammiert – Neuroplastizität sei Dank. Und das Beste? Glimmer ist ansteckend. Keine Angst, das ist die gute Art von Virus!
Aber Achtung: Klar hat man auch schlechte Tage und ich finde es wichtig, auch mal mies drauf zu sein. Ich bin gegen Toxische Positivität. Ich bin dagegen zwanghaft dankbar zu sein oder permament achtsam oder jede schlechte Laune zu verschleiern. Ich bin dagegen, sich dauernd und überall Druck zu machen. Etwas Druck ist super, zuviel Druck lässt dich platzen.
Fazit: Glimmer-Rebellion für alle
Ich habe keinen Plan, was für dich richtig ist. Nur du und deine Innenwelt wissen, wie es dir wirklich geht. Was macht dich happy und was nicht? Für den einen ist es Minimalismus und Backpacking, für den nächsten eine 60-Stunden-Woche – solange du Power und Inspiration hast, bist du auf deinem richtigen Weg. So sehe ich das zumindest.
Früher dachte ich mehr im Außen: „Das muss so und so sein, das gehört zum Leben dazu.“
Dann fand ich mich ab und an in Situationen und Konstellationen vor, die sich schlecht und sehr anstrengend anfühlten. Denn sie passten einfach nicht zu mir.
Ich finde das Leben ist zu kurz, um in einem fremden Hamsterrad zu versauern. Niemand kann dir von außen sagen, was deine Trigger und deine Glimmer sind – du spürst es. Bei Menschen, Events, Filmen, Büchern, News, Umgebungen ...
Die Welt wird nicht weniger triggerreich. Doch du hast öfter mal die Wahl – ob du im Drama mitspielst oder deine eigene Glimmer-Show startest. Ich hoffe, der Glimmer gefällt dir genauso wie mir! Ich wünsche unser aller Gehirne ganz viel Glimmer-Gedöns und Glückshormone. Let's fetz!